Nadja Hersche: Alibi ohne Tabu - zurück auf Feld 1
Ja es ist wieder Saison. Ich spreche weder von Pilzen noch von Maroni. Gefallen an der kulinarischen Vielfalt des Herbstes finde ich schon. Im Moment mache ich mir Gedanken zu den Jahresendgesprächen.
Den Bogen zu spannen von ungeniessbaren Pilzen oder faulen Edelkastanien zu den Jahresgesprächen wäre wohl etwas übertrieben. Aber dass dieses Ritual, meist im hektischen Jahresendspurt angesetzt wird, liegt manchem schwer auf dem Magen.
Seit Jahren, so scheint es mir, lassen hunderttausende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (und ihre Vorgesetzten) das Ritual klaglos über sich ergehen. Klaglos? Nein, das definitiv nicht. Es regt sich so etwas wie Widerstand.
HR Today fragt: «Mitarbeitergespräch - ein Auslaufmodell?». Professor Armin Trost lässt das Fragezeichen gleich ganz weg. Für ihn haben Mitarbeitergespräche nichts mit Feedback zu tun, sie sind für ihn «einfach absurd». Er widmet dem Thema ein ganzes Buch. Der Blick fragt sich, ob das Mitarbeitergespräch ein alter Zopf ist. Und Managementvordenker Reinhard K. Sprenger propagiert anstelle des jährlich aufgezwungenen Feedbackgesprächs den permanenten Dialog.
Soweit meine kleine Presseschau. Doch es wird aber immer öfter nicht nur geredet, sondern auch gehandelt. Erste Firmen verzichten dankend. So machte in den letzten Monaten die Zürcher Kantonalbank für Furore. Sie schaffte das Jahresendgespräch und mit ihm gleich auch die Benotungen ab, nicht aber den engen Dialog zwischen Vorgesetzten und ihren Mitarbeitenden. Die Reaktionen der Mitarbeitenden auf die Abschaffung des ungeliebten Rituals seien euphorisch gewesen, wird CEO Martin Scholl in den Medien zitiert. Das kann ich nachvollziehen, denn auch ich frage mich mehr und mehr:
- Sind die Jahresendgespräche nicht einfach Alibiübungen?
- Werden Sie mehr für das Formular, das Personaldossier und das HR als Wächter über den Prozess geführt?
- Was wird mit den Gesprächsinhalten gemacht? Werden Massnahmen ergriffen?
- Sind Vorgaben (Gauss lässt grüssen) ein Gesprächskiller?
- Fliessen die Rückmeldungen der Mitarbeitenden in Verbesserungen oder wenigstens in die Überprüfung von Regeln, Abläufen und Bestimmungen ein?
- Haben negative, kritische Führungsfeedbacks Folgen für die Vorgesetzten?
- Werden die Fortschritte bei den Zielen regelmässig gemeinsam besprochen?
- Und: Stimmen Aufwand und Ertrag eigentlich noch überein?
Pro forma Gespräche wie sie heute vielerorts geführt werden, sollten nicht mehr stattfinden. Denn man nimmt die Mitarbeitenden nicht ernst und dies hat verherrende Folgen auf die Nachhaltigkeit und schlussendlich auf die Kultur der Unternehmen. Meiner Meinung nach, sollten Mitarbeitergespräche regelmässig transparent und zielführend stattfinden. Dabei spielen die Vorbereitungen, die Wahl der Örtlichkeit, der Gesprächsinhalt sowie die echt gemeinten Absichten eine zentrale Rolle. Das schmieden neuer Pläne und Aktivitäten für die Zukunft ermöglichen gemeinsam persönliche sowie übergeordnete Ziele mit Elan und Identifikation zu erreichen und dies ist schlussendlich der Grundgedanke eines konstruktiven Mitarbeitergesprächs.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine gute Saison – 12 Monate lang.